Glossar
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Care
Care (englisch für „Sorge“ oder „Fürsorge“) bezeichnet die emotionale, physische und soziale Unterstützung, die Menschen anderen in ihrem Umfeld gewähren. Dazu gehören Pflege, Erziehung, Betreuung, Haushaltsarbeit und Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben. Care ist eine grundlegende Voraussetzung für das individuelle Wohlbefinden und das Funktionieren von Gesellschaften – gleichzeitig bleibt sie oft unsichtbar und wird gesellschaftlich wenig anerkannt.
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Care-Arbeit wird überwiegend von Frauen, insbesondere von migrantischen Frauen, geleistet und ist eng mit traditionellen Geschlechterrollen und globalen Ungleichheiten verbunden. Viele Formen von Care finden im privaten Bereich statt und werden weder bezahlt noch als gesellschaftlich wertvolle Arbeit anerkannt. In rassismuskritischen und feministischen Diskursen wird Care daher nicht nur als Fürsorge verstanden, sondern auch als politischer Schlüsselbegriff: Er macht die Abhängigkeit moderner Gesellschaften von oft unsichtbarer, marginalisierter Arbeit sichtbar und fordert deren Wertschätzung und faire Verteilung ein.
Chancengleichheit
Chancengleichheit bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, sozialer Herkunft, Hautfarbe, Religion, Behinderung, sexueller Orientierung oder anderen Merkmalen – die gleichen Möglichkeiten haben sollten, ihre Potenziale zu entfalten und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dieses Prinzip zielt darauf ab, Barrieren zu beseitigen, die bestimmte Gruppen systematisch benachteiligen, und faire Zugänge zu Bildung, Arbeit, Gesundheit, politischer Mitbestimmung und sozialer Absicherung zu schaffen.
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In der Realität sind diese Chancen jedoch ungleich verteilt: Kinder aus einkommensschwachen oder migrantischen Familien haben statistisch schlechtere Bildungserfolge; Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer; Menschen mit Behinderung stoßen oft auf unüberwindbare Hürden im Arbeitsmarkt. Diese Ungleichheiten sind nicht rein individuell bedingt, sondern Ausdruck tief verwurzelter gesellschaftlicher Strukturen.
Deshalb reicht es nicht aus, allen Menschen formal dieselben Rechte einzuräumen.
Chancengleichheit erfordert gezielte Maßnahmen wie Antidiskriminierungsgesetze, Quotenregelungen, Förderprogramme und den Abbau struktureller Barrieren, um tatsächliche Gleichberechtigung herzustellen. Kritische Stimmen betonen zudem, dass Chancengleichheit nicht nur bedeutet, Startlinien auszugleichen, sondern auch Machtverhältnisse zu hinterfragen, die Ungleichheit immer wieder reproduzieren.
Cis(gender)
Cisgender bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. So wird eine Person, die bei der Geburt als weiblich eingeordnet wurde und sich auch als Frau identifiziert, als cisgender bezeichnet. Der Begriff wird als Gegenstück zu transgender verwendet, also für Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
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Lange Zeit galt cis als „unsichtbar“ und wurde gar nicht benannt, während trans Identitäten häufig als „abweichend“ oder „anders“ markiert wurden. Erst durch die zunehmende Sichtbarkeit von trans*, inter* und nicht-binären Menschen wurde deutlich: Auch Menschen, die cis sind, haben eine Geschlechtsidentität – sie erscheint nur oft als selbstverständlich, weil sie mit gesellschaftlichen Normen übereinstimmt. Diese Selbstverständlichkeit bringt Privilegien mit sich, etwa dass cis Menschen seltener Diskriminierung, medizinischer Hürden oder rechtlicher Anerkennungskämpfe ausgesetzt sind.
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Sich als cisgender zu benennen, bedeutet daher nicht, sich ein neues Label aufzudrücken, sondern eine Reflexion: Es macht sichtbar, dass auch „die Norm“ eine Position ist – keine neutrale Fläche. Diese bewusste Selbstverortung kann ein Akt der Solidarität sein. Sie signalisiert, dass man die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten anerkennt und die Stimmen von trans*, inter* und nicht-binären Menschen unterstützt.
Cissexismus
Cissexismus beschreibt die Annahme, dass cisgeschlechtliche Menschen – also Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt – die „Norm“ darstellen und deshalb privilegiert sind. Er geht mit der Vorstellung einher, dass cis Menschen gegenüber trans*, inter* oder nicht-binären Menschen Vorrang haben, und zeigt sich sowohl in individuellen Einstellungen als auch in gesellschaftlichen Strukturen.
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Cissexismus wirkt oft subtil: etwa wenn nur zwei Geschlechter als „normal“ angesehen werden, trans* Menschen in medizinischen oder rechtlichen Kontexten misgendert oder ausgeschlossen werden oder wenn der Zugang zu Räumen (wie Toiletten oder Umkleiden) für nicht-cis Menschen zur ständigen Auseinandersetzung wird. Er zeigt sich auch in typischen Reaktionen wie: „Wo sind denn die ganzen nicht-binären Menschen auf einmal hergekommen? Ist das nicht nur ein Trend?“ Solche Aussagen blenden aus, dass nicht-binäre, trans* und inter* Identitäten schon immer existierten – nur war es für viele Menschen historisch lebensgefährlich, diese offen zu leben. Erst durch den Kampf von Aktivist*innen wird heute etwas sichtbar, das lange unsichtbar gemacht wurde.
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Cissexismus zu hinterfragen bedeutet, die eigenen Privilegien als cis Person anzuerkennen und die gesellschaftlichen Strukturen zu sehen, die andere ausschließen.
Code of Conduct
(Verhaltenskodex)
Ein Code of Conduct – auf Deutsch meist als Verhaltenskodex bezeichnet – ist ein schriftlich festgehaltenes Regelwerk, das den respektvollen, diskriminierungsfreien und verantwortungsbewussten Umgang innerhalb einer Organisation, eines Projekts oder einer Veranstaltung beschreibt. Dabei geht es nicht nur um gutes Benehmen im klassischen Sinn, sondern vor allem um den Schutz von Personen, die von Diskriminierung, Belästigung oder Gewalt betroffen sein könnten.
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Ein Code of Conduct benennt klar, welches Verhalten erwünscht ist – und welches nicht geduldet wird. Er formuliert Grundsätze, Werte und Verhaltensregeln, schafft Orientierung für alle Beteiligten und macht deutlich: Es gibt Grenzen, und es gibt Verantwortlichkeiten. In der Awareness-Arbeit ist der Code of Conduct ein zentrales Instrument, um Handlungsfähigkeit im Ernstfall zu sichern und Vertrauen in gemeinsame Räume aufzubauen.
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Ein guter Verhaltenskodex entsteht nicht im stillen Kämmerlein, sondern in Auseinandersetzung mit den realen Erfahrungen der Menschen, die sich in einem Raum bewegen. Er sollte transparent, zugänglich und kontinuierlich überprüfbar sein. Wichtig ist dabei: Ein Code of Conduct ersetzt keine Kultur des achtsamen Miteinanders – er ist ein Werkzeug, das diese Kultur strukturieren und absichern kann.
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Ein Code of Conduct richtet sich dabei in erster Linie nach außen: Er beschreibt sichtbar für alle, welche Regeln und Werte in einem Raum gelten sollen, und stellt damit eine präventive Schutzstruktur dar. Mit „außen“ ist sowohl die Kommunikation nach außen – etwa auf Websites, Veranstaltungen oder Aushängen – als auch das grundsätzliche Signal an alle gemeint: Hier gelten bestimmte Standards, und sie sind nicht verhandelbar.
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Im Unterschied dazu wirkt ein Awareness-Konzept eher nach innen: Es entfaltet seine Stärke dann, wenn es zu Grenzverletzungen gekommen ist oder Menschen sich nicht sicher fühlen. Es beschreibt konkrete Zuständigkeiten, Abläufe und Schutzmechanismen, um Betroffene zu begleiten, zu stärken und strukturell abzusichern.
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Beide Instrumente ergänzen sich sinnvoll: Der Code of Conduct schafft Orientierung und setzt Rahmenbedingungen, das Awareness-Konzept sorgt dafür, dass innerhalb dieses Rahmens auch tatsächlich Fürsorge, Schutz und Solidarität möglich werden. Gemeinsam bilden sie die Grundlage für diskriminierungssensible Räume, in denen Verantwortung nicht nur eingefordert, sondern auch geteilt wird.
Colorism
Colorism bezeichnet die Diskriminierung und Bevorzugung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe innerhalb derselben ethnischen oder rassifizierten Gruppe. Hellere Haut wird dabei oft als „schöner“, „intelligenter“ oder „gesellschaftlich akzeptabler“ angesehen, während dunklere Haut abgewertet und mit negativen Stereotypen belegt wird. Diese Hierarchien sind eng mit Kolonialismus, Sklaverei und rassistischen Kastensystemen verknüpft, die hellere Haut mit Nähe zu Macht, Wohlstand und Privilegien assoziierten und dunklere Haut abwerteten.
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Bis heute wirkt Colorism weltweit fort: In Medien, Werbung und Popkultur werden oft hellhäutige People of Color bevorzugt repräsentiert, während dunkelhäutige Menschen unsichtbar bleiben oder auf stereotype Rollen reduziert werden. In vielen Ländern zeigt sich Colorism auch in der Nachfrage nach Hautaufhellungsprodukten oder der Abwertung bestimmter Haarstrukturen. Diese Schönheitsideale können tief in Communities wirken und führen nicht selten zu internalisiertem Rassismus und einem geringeren Selbstwertgefühl bei Betroffenen.
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Colorism zu hinterfragen bedeutet, die historischen Wurzeln dieser Hierarchien zu erkennen und zu verstehen, wie sie bis heute gesellschaftliche und individuelle Machtverhältnisse prägen. Es eröffnet die Möglichkeit, Solidarität innerhalb von Communities zu stärken und eine Vielfalt von Hauttönen als gleich wertvoll anzuerkennen.
Critical Whiteness
Critical Whiteness bezeichnet einen Ansatz, der die eigene Position als weiße Person in einer von Weißsein dominierten Gesellschaft reflektiert. Der Blick richtet sich weg von den als „anders“ konstruierten Gruppen – wie People of Color oder Schwarze Menschen – hin zu denjenigen, die als „neutral“ oder „normal“ gelesen werden: weiße Menschen. Ziel ist es, Weißsein als gesellschaftliche Norm sichtbar zu machen und zu hinterfragen, wie es als unsichtbares Privileg rassistische Machtverhältnisse aufrechterhält.
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Weißsein wird oft nicht als privilegierte Position wahrgenommen, sondern als unsichtbarer Standard: Weiße Menschen gelten in vielen Kontexten einfach als „Menschen“, während alle anderen markiert und ausgegrenzt werden. Diese vermeintliche Neutralität führt dazu, dass rassistische Hierarchien unbewusst fortgeschrieben werden – sei es in Sprache („Wo kommst du wirklich her?“), in Medienbildern (Werbung, in der schwarze Kinder automatisch mit Armut assoziiert werden) oder in alltäglichen Begegnungen.
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Critical Whiteness betont, dass auch weiße Menschen eine gesellschaftliche Positionierung haben, die mit strukturellen Vorteilen verbunden ist – etwa leichterer Zugang zu Wohnraum, Bildung, politischer Repräsentation oder das Privileg, nie aufgrund ihrer Hautfarbe hinterfragt zu werden. Diese Reflexion ist kein Vorwurf, sondern ein Werkzeug, um die eigenen Perspektiven zu erweitern und rassistische Strukturen zu verändern.
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Zugleich macht der Ansatz deutlich: Weißsein ist kein monolithisches Konzept, sondern verschränkt mit anderen Faktoren wie Klasse, Geschlecht, Religion oder Migrationsgeschichte. Intersektionale Perspektiven helfen zu verstehen, dass auch innerhalb weißer Gruppen unterschiedliche Privilegien und Ausschlüsse existieren.
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Critical Whiteness eröffnet die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen: durch das Anerkennen eigener Vorteile, solidarisches Handeln und das aktive Schaffen von Räumen, in denen Perspektiven marginalisierter Menschen gehört und ernst genommen werden. Es ist ein Schritt, um Rassismus nicht nur bei anderen zu suchen, sondern die eigene Rolle darin zu erkennen und zu verändern.
Christopher Street
Day (CSD)
Der Christopher Street Day (CSD) ist ein Gedenk-, Demonstrations- und Festtag, an dem Menschen der LGBTQIA+-Community und ihre Verbündeten für Gleichberechtigung, Akzeptanz und die Sichtbarkeit queerer Lebensrealitäten eintreten. Er erinnert an die Stonewall-Unruhen vom 28. Juni 1969 in der Christopher Street in New York City, als queere Menschen – insbesondere Dragqueens, trans* Frauen, queere People of Color sowie lesbische und bi Frauen – sich erstmals organisiert gegen Polizeigewalt, Schikanen und Diskriminierung zur Wehr setzten. Dieser Aufstand gilt als Wendepunkt der modernen LGBTQIA+-Bewegung.
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Die Bezeichnung Christopher Street Day wird vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz verwendet. International sind Begriffe wie Pride Parade oder Gay Pride gebräuchlich, in osteuropäischen Ländern spricht man oft von Gleichheitsparaden. Inzwischen finden Pride-Veranstaltungen in über 70 Ländern weltweit statt – von großen Metropolen wie New York, São Paulo und Berlin bis zu kleineren Städten, die den Mut gefunden haben, queere Sichtbarkeit im öffentlichen Raum zu schaffen. Gleichzeitig gibt es Länder, in denen Pride-Paraden verboten oder mit hohen Risiken für Teilnehmende verbunden sind – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Akzeptanz und Sicherheit für queere Menschen global noch nicht selbstverständlich sind.
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CSD-Veranstaltungen sind mehr als bunte Umzüge: Sie verbinden politische Demonstrationen gegen Diskriminierung mit einem selbstbewussten Feiern queerer Vielfalt. Häufig wird der CSD mit der Frage abgewertet, warum sich queere Menschen „so aufspielen“ müssten. Doch Sichtbarkeit ist eine bewusste Strategie: Jahrzehntelang mussten queere Menschen ihre Identitäten verstecken – aus Angst vor Gewalt, Ausgrenzung und gesellschaftlicher Ächtung. Der CSD bricht mit diesem Schweigen und macht deutlich: Diese Vielfalt war schon immer da, sie wurde nur lange unsichtbar gemacht.
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Die größten CSD-Umzüge im deutschsprachigen Raum finden in Berlin und Köln statt, doch auch viele kleinere Städte tragen inzwischen eigene Paraden aus. Der CSD erinnert daran, dass Gleichberechtigung und Akzeptanz nicht von selbst entstehen, sondern kontinuierliches Engagement und solidarisches Handeln brauchen – weltweit und vor Ort. Er ist ein Zeichen dafür, dass niemand sich dafür entschuldigen muss, authentisch und sichtbar zu sein.
