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Glossar

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Weiße Privilegien

Weiße Privilegien bezeichnen gesellschaftliche Vorteile, die Menschen erhalten, weil sie als weiß gelten – also einer sozialen Gruppe angehören, die in rassistisch geprägten Gesellschaften historisch und strukturell bevorzugt wird. Privilegien sind Vorzüge oder Zugänge, die nicht erkämpft oder bewusst gewählt wurden, sondern einem schlicht zustehen, weil man bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen entspricht. Sie bleiben für die Privilegierten oft unsichtbar, weil sie als „normal“ oder „selbstverständlich“ wahrgenommen werden.

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Weiße Privilegien zeigen sich zum Beispiel darin, dass man bei der Wohnungs- oder Jobsuche nicht benachteiligt wird, in der Schule keine rassistischen Vorannahmen über die eigene Intelligenz erlebt, oder sich in Medien und Politik regelmäßig repräsentiert sieht. Weiß zu sein bedeutet oft, nicht erklären zu müssen, woher man „wirklich“ kommt, nicht bei Polizeikontrollen herausgegriffen zu werden, und als „neutral“ oder „ungefährlich“ gelesen zu werden.

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Diese Privilegien sind nicht das Ergebnis individueller Leistung, sondern Ausdruck ungleicher gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Sie hängen eng mit dem Konzept des Weißseins als Norm zusammen – einem Rahmen, in dem andere Menschen als „anders“, „auffällig“ oder „abweichend“ markiert werden.

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Weiße Privilegien zu erkennen bedeutet nicht, sich schuldig zu fühlen. Es bedeutet vielmehr, Verantwortung zu übernehmen: für mehr Gerechtigkeit einzutreten, zuzuhören, bestehende Ungleichheiten nicht zu reproduzieren – und dort, wo möglich, Räume, Ressourcen und Aufmerksamkeit zu teilen.

Weiß bzw. Weißsein

Weißsein ist keine biologische Eigenschaft, sondern eine gesellschaftliche Konstruktion, die historisch gewachsen ist und politisch wirkt. Der Begriff beschreibt eine privilegierte Position in einem rassifizierten System – jene gesellschaftliche Lage, in der Menschen strukturell nicht von Rassismus betroffen sind, sondern von einem System profitieren, das „Weißsein“ als unsichtbare Norm und Maßstab setzt.

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Weißsein zeigt sich oft nicht in dem, was gesagt wird, sondern in dem, was nicht hinterfragt wird: Wer wird als kompetent gelesen? Wessen Schmerz wird ernst genommen? Wer gilt als neutral, wer als „zu emotional“ oder „zu betroffen“? Diese Normalisierung von Weißsein macht es für viele unsichtbar – und gerade deshalb so wirkmächtig.

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Weißsein wirkt auch dadurch, dass es sich nicht selbst benennt, während andere als „anders“, „divers“ oder „migrantisch“ markiert werden. In diesem Spannungsfeld entsteht eine Asymmetrie, in der Macht, Handlungsspielräume und Deutungshoheit ungleich verteilt sind. Rassismuskritisches Arbeiten bedeutet deshalb nicht, „Schuld“ zuzuweisen, sondern die eigenen Positionierungen sichtbar zu machen – und Verantwortung zu übernehmen, wo Handlung möglich ist.

Weißer Blick
(White Gaze)

Der Begriff weißer Blick – im englischen White Gaze – beschreibt die dominante gesellschaftliche Perspektive, aus der heraus weiße Menschen soziale Verhältnisse, insbesondere Machtverhältnisse zwischen ihnen und rassifizierten Gruppen, wahrnehmen und bewerten. Diese Perspektive ist historisch gewachsen, strukturell verankert und oft so normalisiert, dass sie vielen gar nicht als spezifischer Blick auffällt – sondern als vermeintlich „objektiv“ gilt.

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Der weiße Blick entscheidet, welche Geschichten erzählt werden, welche Erfahrungen als glaubwürdig gelten und wie Rassismus überhaupt erkannt oder geleugnet wird. Er beeinflusst Medien, Bildungsinhalte, Kunst, Sprache, Forschung und gesellschaftliche Debatten. Dabei geraten Perspektiven von People of Color oft an den Rand oder werden exotisiert, pathologisiert oder entpolitisiert.

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Der Begriff hilft zu verstehen, dass Wahrnehmung nie neutral ist – und dass auch scheinbar wohlmeinende, liberale oder „neutrale“ Haltungen rassistische Strukturen reproduzieren können, wenn sie ausschließlich durch eine weiße Linse blicken.

White Tears
(weiße Tränen)

„Weiße Tränen“ ist eine kritische Metapher für emotionale Reaktionen weißer Personen auf Rassismuskritik. Gemeint sind Momente, in denen weiße Menschen sich durch die Thematisierung von Rassismus, Privilegien oder diskriminierenden Strukturen persönlich verletzt, angegriffen oder missverstanden fühlen – und diese Gefühle in den Mittelpunkt stellen.

Solche Reaktionen äußern sich etwa durch Weinen, Rückzug, Schuldgefühle oder die Bitte nach einer sanfteren Ansprache. Oft lenken sie unbewusst die Aufmerksamkeit weg von den Erfahrungen der Betroffenen hin zur Emotionalität der weißen Person. Das erschwert solidarische Gespräche, verschiebt Verantwortung und unterbricht wichtige Auseinandersetzungen mit Machtverhältnissen.

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Dabei handelt es sich nicht bloß um persönliche Betroffenheit, sondern um eine emotionale Abwehrstrategie: Die eigene Verletzlichkeit wird – bewusst oder unbewusst – als Schutzschild gegen Kritik genutzt. So wird vermieden, sich mit den eigenen Privilegien oder einer unbequemen Wahrheit auseinanderzusetzen.

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„Weiße Tränen“ sollen als Begriff nicht individuelle Gefühle herabwürdigen. Vielmehr macht er eine Dynamik sichtbar, in der weiße Emotionalität als dominant gesetzt wird – selbst in Situationen, in denen es eigentlich um die Anerkennung von Rassismuserfahrungen geht. Das Konzept ruft daher zu Verantwortung, Selbstreflexion und solidarischem Zuhören auf.

Weiße Vorherrschaft
(White Supremacy)

„Weiße Vorherrschaft“ – im englischen Original White Supremacy – bezeichnet ein historisch gewachsenes und bis heute wirksames System, in dem weiße Menschen strukturell bevorzugt werden. Es geht dabei nicht nur um offene Gewalt oder extremistische Ideologien, sondern um alltägliche, tief verwurzelte Machtverhältnisse, die weiße Perspektiven, Werte und Lebensrealitäten als Norm setzen – und alle anderen abwerten oder ausschließen.

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Weiße Vorherrschaft zeigt sich in Bildung, Justiz, Gesundheit, Medien, Sprache, Kunst, Wohnraum und Arbeitswelt – oft subtil, aber wirkmächtig. Sie ist eng verknüpft mit Kolonialgeschichte, Sklaverei und rassistischer Gesetzgebung, wirkt aber auch heute in scheinbar neutralen Strukturen weiter.

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Wichtig ist: Es geht nicht (nur) um persönliche Einstellungen, sondern um ein gesellschaftliches System, das weiße Positionen schützt, stabilisiert und normalisiert – oft ohne dass es benannt wird. Gerade weil es so unsichtbar erscheint, ist das Konzept für rassismuskritisches Denken zentral: Es macht deutlich, dass Rassismus nicht bloß individuelle Vorurteile meint, sondern ein Machtverhältnis, das aktiv erhalten oder kritisch hinterfragt werden kann.

Weiße Zerbrechlichkeit (White Fragility)

„Weiße Zerbrechlichkeit“ beschreibt die emotionalen Abwehrreaktionen vieler weißer Menschen, wenn sie mit Rassismuskritik oder Hinweisen auf ihre eigenen Privilegien konfrontiert werden. Der Begriff wurde von der US-amerikanischen Soziologin Robin DiAngelo geprägt und macht sichtbar, wie schon die bloße Thematisierung von Rassismus bei vielen weißen Personen Unbehagen, Abwehr, Wut, Rückzug oder Schuldgefühle auslöst.​ Diese Reaktionen wirken nicht individuell oder neutral – sie haben soziale Funktion: Sie dienen dazu, die eigene Selbstwahrnehmung als „gute, faire Person“ aufrechtzuerhalten und sich der unbequemen Auseinandersetzung mit rassistischen Strukturen zu entziehen. Dadurch bleibt das Machtverhältnis unangetastet.

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Weiße Zerbrechlichkeit ist also keine Schwäche im klassischen Sinn – sondern eine Form von sozialer Resilienz weißer Vorherrschaft. Wer sofort in die Defensive geht, sich gekränkt fühlt oder Gespräche abbricht, schützt nicht sich selbst, sondern ein System, das weiße Positionen bevorzugt.​ Das Konzept ruft nicht zur Schuld auf, sondern zur Reflexion: Es geht darum, Kritik anzunehmen, ohne die Diskussion zu blockieren – und die eigene Rolle in rassistischen Strukturen ehrlich zu hinterfragen.

Whitewashing

Whitewashing (englisch für „weiß streichen“) bezeichnet eine Praxis, bei der in Medien, Kunst oder öffentlichen Erzählungen nicht-weiße Menschen, Kulturen oder Geschichten unsichtbar gemacht oder durch weiße ersetzt werden. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Filmkritik, wo er verwendet wurde, um zu beschreiben, dass Rollen Schwarzer, asiatischer oder indigener Figuren mit weißen Schauspieler*innen besetzt wurden – selbst wenn die Figuren historisch oder inhaltlich eindeutig BIPoC waren. Ein bekanntes Beispiel ist die Besetzung asiatischer Hauptrollen in Hollywood-Filmen wie Ghost in the Shell oder Aloha mit weißen Schauspielerinnen.

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Whitewashing zeigt sich aber nicht nur in der Besetzungspraxis, sondern auch in Geschichtsschreibung, Werbung, Schulmaterialien oder Ausstellungen – immer dann, wenn die Perspektiven, Leistungen oder Kämpfe von Menschen of Color übergangen oder verfälscht werden. In manchen Fällen werden Figuren oder Geschichten zwar formal übernommen, aber von ihrer gesellschaftlichen Positionierung „ent-racialized“ – das heißt: Ihre Geschichte wird von der rassistischen Dimension abgetrennt und als neutrale oder universelle Erfahrung dargestellt. Dadurch verschwinden Diskriminierung, Widerstand und Ungleichheit aus dem Bild.

Whitewashing ist kein harmloser Einzelfall, sondern ein politischer Mechanismus der Unsichtbarmachung. Er trägt dazu bei, dass weiße Perspektiven als Norm und Maßstab erscheinen, während andere Sichtweisen als Abweichung oder Nische behandelt werden. Die Folge ist eine verzerrte Repräsentation, in der nicht-weiße Lebensrealitäten kaum vorkommen – oder nur in Form von Stereotypen.

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Der Begriff „Whitewashing“ steht in einer Reihe mit anderen sogenannten „-washing“-Begriffen, die auf ähnliche Muster hinweisen: Greenwashing beschreibt etwa, wenn sich Unternehmen ein ökologisches Image geben, ohne tatsächlich nachhaltig zu handeln. Pinkwashing kritisiert das strategische Einsetzen von LGBTQ-Symbolik zur Imagepflege, während diskriminierende Strukturen bestehen bleiben. Und Woke-Washing benennt das oberflächliche Berufung auf soziale Gerechtigkeit, ohne daraus Konsequenzen folgen zu lassen. Allen gemeinsam ist, dass sie progressive Sprache und Ästhetik nutzen, um reale Ungleichheiten zu verdecken oder symbolisch abzuarbeiten.

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Whitewashing macht deutlich: Es geht nicht nur darum, was erzählt wird, sondern wer erzählt, wie, für wen – und mit welchen gesellschaftlichen Folgen. Wer systematisch aus Narrativen ausgeschlossen wird, bleibt auch aus dem kollektiven Gedächtnis ausgeschlossen. Die Kritik an Whitewashing ist deshalb immer auch eine Kritik an kultureller Machtverteilung – und an der Frage, wessen Geschichten als erzählenswert gelten.

Woke

Der englische Begriff woke bedeutet wörtlich „aufgewacht“ und wird umgangssprachlich verwendet, um eine Haltung oder Person zu beschreiben, die sensibel für gesellschaftliche Ungleichheiten, Diskriminierung und Machtverhältnisse ist – und daraus Konsequenzen zieht. In vielen Organisationen und aktivistischen Kontexten wird statt „woke“ auch der Begriff Awareness verwendet, um das Bemühen um respektvolle, diskriminierungssensible Räume zu beschreiben.

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Woke hat seinen Ursprung in der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung der USA. „Stay woke“ war dort ein Appell, wachsam gegenüber Rassismus, staatlicher Gewalt und sozialen Ungleichheiten zu bleiben – vor allem in einer Gesellschaft, die solche Realitäten häufig leugnet oder unsichtbar macht. Der Begriff bezeichnete also nicht eine bloße Haltung, sondern eine politische Praxis: bewusst bleiben, nicht wegsehen, sich positionieren.

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Mit der Zeit wurde woke auch in anderen sozialen Bewegungen aufgegriffen, etwa im Queerfeminismus, in der Klimagerechtigkeitsbewegung, in Ableismus- und Klassismuskritik. Es wurde zu einem Sammelbegriff für Menschen, die sich struktureller Gewalt bewusst sind und für mehr Gerechtigkeit, Inklusion und Sichtbarkeit eintreten – oft verbunden mit Selbstreflexion und aktivem Lernen.

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In den letzten Jahren wurde woke zunehmend von konservativen und rechten Akteuren umgedeutet und diffamiert. Der Begriff wird dort oft spöttisch oder abwertend verwendet, um Menschen zu delegitimieren, die sich gegen Diskriminierung einsetzen. Diese rhetorische Strategie zielt darauf ab, soziale Bewegungen zu schwächen und politisches Engagement als übertrieben, realitätsfern oder moralisierend darzustellen.

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In rassismuskritischen, queerfeministischen und aktivistischen Zusammenhängen bleibt woke dennoch ein Begriff, der an eine zentrale Haltung erinnert: nicht einzuschlafen in einer Welt, die sich an Ungleichheit gewöhnt hat.

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