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Glossar

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Barrierefreiheit

Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von körperlichen, sensorischen, kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen – uneingeschränkten Zugang zu Räumen, Angeboten, Dienstleistungen und Informationen haben. Barrierefreiheit umfasst bauliche Maßnahmen wie Rampen, Aufzüge und kontrastreiche Bodenmarkierungen ebenso wie digitale Zugänglichkeit (z. B. Untertitel, Screenreader-kompatible Websites, Leichte Sprache). Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

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Barrierefreiheit geht jedoch über technische Anpassungen hinaus: Sie beinhaltet auch die Beseitigung sozialer Barrieren wie Vorurteile, fehlende Sensibilisierung und ausgrenzende Strukturen. Der Begriff ist eng mit der UN-Behindertenrechtskonvention verbunden, die das Recht auf Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe als Menschenrecht festschreibt.

Aus der Perspektive von Behindertenrechtsbewegungen wird Barrierefreiheit nicht als „Sonderleistung“ verstanden, sondern als Grundvoraussetzung für eine inklusive Gesellschaft. Sie stellt sicher, dass Vielfalt respektiert wird und niemand durch vermeidbare Hindernisse ausgeschlossen wird – sei es im öffentlichen Raum, in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz oder im kulturellen Leben.

Beeinträchtigung

Beeinträchtigung bezeichnet physische, sensorische, kognitive oder psychische Einschränkungen, die die Aktivitäten oder die Teilhabe einer Person am gesellschaftlichen Leben beeinflussen können. Sie können vorübergehend (z. B. nach einem Unfall) oder dauerhaft (z. B. durch chronische Erkrankungen oder angeborene Bedingungen) sein.

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Der Begriff wird häufig in rechtlichen und medizinischen Kontexten verwendet, um die Wechselwirkung zwischen einer individuellen Einschränkung und den Barrieren in der Umwelt zu beschreiben. Allerdings gibt es eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff, da er oft auf den Defizitblick fokussiert und die Verantwortung der Gesellschaft für Inklusion ausblendet. Viele Betroffene bevorzugen die Selbstbezeichnung „Menschen mit Behinderung“, weil dieser Begriff die sozialen und strukturellen Hindernisse in den Vordergrund rückt, die Teilhabe einschränken.

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Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ist wichtig zu betonen: Nicht die Beeinträchtigung an sich behindert Menschen, sondern die Barrieren in der Umwelt und die Diskriminierung, die ihnen entgegengebracht wird.

Behinderten-feindlichkeit

Behindertenfeindlichkeit beschreibt die Abwertung, Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung. Sie äußert sich in negativen Einstellungen, Vorurteilen, Stigmatisierung und strukturellen Barrieren, die die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindern. Behindertenfeindlichkeit reicht von verletzenden Bemerkungen im Alltag über das Fehlen barrierefreier Zugänge bis hin zu systematischen Benachteiligungen in Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung.

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Der Begriff ist eng verwandt mit Ableismus (von englisch ableism), der international gebräuchlicher ist und auf die gesellschaftliche Bevorzugung von Menschen ohne Behinderung hinweist. Beide Begriffe sind anerkannt und werden oft synonym verwendet, wobei Ableismus den Fokus stärker auf die zugrunde liegenden Machtverhältnisse und Normvorstellungen richtet, die Menschen mit Behinderung als „abweichend“ markieren.

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Aus Sicht der Behindertenbewegung bedeutet der Kampf gegen Behindertenfeindlichkeit nicht nur, individuelle Vorurteile abzubauen, sondern auch Strukturen zu verändern. So betont die UN-Behindertenrechtskonvention, dass Menschen mit Behinderung nicht aufgrund ihrer Beeinträchtigungen behindert werden, sondern durch die Barrieren in ihrer Umwelt.

Behinderung

Behinderung bezeichnet langfristige körperliche, sensorische, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen, die in Wechselwirkung mit Barrieren in der Umwelt dazu führen können, dass Menschen in ihrer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt werden. Der Begriff umfasst dabei nicht nur sichtbare Einschränkungen wie Mobilitäts- oder Sinnesbehinderungen, sondern auch nicht-sichtbare Formen wie chronische Erkrankungen, psychische Belastungen oder neurodiverse Ausprägungen. Menschen mit Autismus, ADHS, Dyslexie oder anderen neurodiversen Mustern sind häufig mit sozialen und strukturellen Barrieren konfrontiert, obwohl ihre Bedarfe weniger offensichtlich wahrgenommen werden.

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Es gibt unterschiedliche Perspektiven auf Behinderung: Das medizinische Modell sieht sie primär als individuelles Defizit, das behandelt oder kompensiert werden soll. Das soziale Modell, das von der internationalen Behindertenrechtsbewegung entwickelt wurde, rückt dagegen die Umwelt in den Fokus: Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert – durch bauliche, kommunikative, rechtliche und soziale Hindernisse, die Teilhabe verhindern.

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Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die in Deutschland seit 2009 gilt, versteht Behinderung als Menschenrechtsthema und fordert, dass alle Menschen – unabhängig von Art und Grad ihrer Beeinträchtigung – selbstbestimmt und ohne Diskriminierung leben können. Unterstützungsangebote, Barrierefreiheit und inklusive Strukturen sind dabei keine „Sonderleistungen“, sondern eine Grundvoraussetzung für eine gerechte Gesellschaft.

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Behinderung ist kein statisches Merkmal einer Person, sondern entsteht in der Beziehung zwischen Individuum und Umwelt. Daher ist es Aufgabe der Gesellschaft, Bedingungen zu schaffen, die allen Menschen gleiche Chancen und eine selbstbestimmte Teilhabe ermöglichen.

Bias

Bias (deutsch: Verzerrung oder Voreingenommenheit) beschreibt die Tendenz, Menschen, Gruppen oder Situationen auf bestimmte Weise wahrzunehmen und zu bewerten – oft unbewusst. Diese kognitiven Verzerrungen entstehen durch persönliche Erfahrungen, gesellschaftliche Prägungen und Machtstrukturen. Sie beeinflussen unser Denken und Handeln und führen dazu, dass bestimmte Gruppen systematisch benachteiligt oder bevorzugt werden.

Ein Beispiel ist der Confirmation Bias: Menschen suchen bevorzugt Informationen, die ihre Überzeugungen bestätigen, und blenden widersprüchliche Fakten aus. So verfestigen sich stereotype Bilder, etwa die Vorstellung, Jugendliche mit Migrationsgeschichte seien weniger leistungsfähig.

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Problematisch wird Bias, wenn er mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen zusammenwirkt – zum Beispiel, wenn Bewerber*innen mit bestimmten Namen seltener eingeladen werden oder medizinisches Personal Symptome marginalisierter Gruppen weniger ernst nimmt.

Unconscious-Bias-Trainings können helfen, diese Verzerrungen sichtbar zu machen, greifen aber oft zu kurz. Erst durch faire Strukturen und machtkritische Reflexion entsteht nachhaltige Veränderung.

Bildungsgerechtigkeit

Bildungsgerechtigkeit beschreibt das Ziel, allen Menschen – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sozialem Status, Behinderung oder anderen Merkmalen – faire Chancen im Bildungssystem zu ermöglichen. Es geht darum, Barrieren abzubauen, die den Zugang zu Bildung verhindern oder Bildungserfolg ungleich verteilen.​

 

In vielen Gesellschaften wird Bildung häufig als Schlüssel für soziale Mobilität gesehen. Damit verbunden ist die Vorstellung der Meritokratie: dass allein Leistung und Anstrengung über den Erfolg entscheiden. Diese Idee blendet jedoch aus, dass strukturelle Hürden – wie Rassismus, Klassismus oder institutionelle Voreingenommenheit – ungleichen Zugang zu Ressourcen schaffen. Nicht alle starten mit den gleichen Voraussetzungen, und das Bildungssystem reproduziert diese Ungleichheiten oft statt sie abzubauen.​

 

Deshalb bedeutet Bildungsgerechtigkeit nicht nur gleiche Startbedingungen zu schaffen, sondern auch die Auswirkungen bestehender Machtverhältnisse kritisch zu reflektieren und zu korrigieren. Es geht um ein Bildungssystem, das Vielfalt als Stärke versteht und allen die Möglichkeit gibt, ihr Potenzial zu entfalten – nicht nur denjenigen, die ohnehin privilegierte Ausgangsbedingungen haben.

Bio-Deutsch

Der Begriff Bio-Deutsch wird manchmal verwendet, um Menschen zu beschreiben, deren Familiengeschichte „schon immer“ in Deutschland verortet ist. Er soll oft humorvoll oder selbstironisch klingen, wird aber in der Realität schnell problematisch.

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Aus einer rassismuskritischen Perspektive reduziert Bio-Deutsch Zugehörigkeit zu Deutschland auf biologische Abstammung und reproduziert damit genau die Denkweise, die eigentlich überwunden werden sollte: die Vorstellung, dass „deutsch sein“ etwas mit Blut, Genetik oder „reiner Herkunft“ zu tun habe. Diese Logik ähnelt derjenigen von „deutschem Blut“ oder „reinrassig“ – Begriffe, die historisch in rassistischen und völkischen Ideologien benutzt wurden.

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Auch wenn der Ausdruck manchmal progressiv gemeint ist, wirkt er exkludierend: Er suggeriert, dass es ein „natürliches“ oder „echtes“ Deutschsein gibt und alles andere abgeleitet oder „nicht ganz“ sei. Stattdessen sollte Zugehörigkeit als etwas verstanden werden, das durch Leben und Teilhabe entsteht – nicht durch Biologie.

Biologisierung / Biologismus

Biologisierung beschreibt den Prozess, bei dem komplexe gesellschaftliche, soziale oder kulturelle Phänomene auf biologische Ursachen reduziert werden. Dabei werden Unterschiede zwischen Menschen – wie Verhalten, Fähigkeiten oder Rollen – fälschlicherweise als „natürlich“ und unveränderlich dargestellt. Ein Beispiel ist die Vorstellung, dass bestimmte soziale Gruppen „von Natur aus“ weniger leistungsfähig seien, statt strukturelle Diskriminierung als Ursache zu erkennen.

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Biologismus bezeichnet die daraus entstehende Ideologie: eine Denkweise, die soziale Ungleichheiten und Machtverhältnisse mit vermeintlich biologischen Unterschieden rechtfertigt. Er wird oft genutzt, um Diskriminierung wie Rassismus oder Sexismus zu legitimieren. Beispiele hierfür sind Argumentationen, die „Rassen“ als biologische Kategorien behandeln oder Frauen bestimmte Fähigkeiten absprechen, weil „ihre Biologie es so will“.

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Aus einer rassismuskritischen Perspektive ist es wichtig, beide Phänomene zu erkennen, da sie historisch und gegenwärtig dazu beitragen, Ungleichheiten zu verfestigen und Menschen in stereotype Schubladen zu stecken.

BIPoC und People of Color

BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) und PoC (People of Color) sind politische Selbstbezeichnungen von Menschen, die Rassismuserfahrungen machen. Sie entstanden im Widerstand gegen koloniale und rassistische Strukturen und stehen für Empowerment, Solidarität und das Zurückholen der Deutungshoheit über die eigene Identität. Der Begriff People of Color hat seine Wurzeln in der US‑amerikanischen Bürgerrechts- und Black‑Power‑Bewegung der 1960er Jahre.

 

Er entwickelte sich als bewusste Gegenbezeichnung zu dem abwertenden colored und beschreibt ein solidarisches Bündnis zwischen Communities, die strukturelle Ausgrenzung erfahren – ohne dabei ihre Unterschiede unsichtbar zu machen.

In Deutschland wurde People of Color von marginalisierten Communities als Selbstbezeichnung übernommen, um die gemeinsame Erfahrung von Rassismus sichtbar zu machen. Der Begriff grenzt sich dabei bewusst von Bezeichnungen wie Migrantin* oder Migrationshintergrund ab, die den Fokus auf Migration legen und nicht auf Diskriminierung. Nicht alle Menschen mit Migrationsgeschichte erfahren Rassismus, und viele Menschen, die von Rassismus betroffen sind, haben statistisch gesehen keinen Migrationshintergrund.

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People of Color beschreibt keine Hautfarbe, sondern eine politische Position im Verhältnis zu rassistischen Machtstrukturen. In Deutschland zählen dazu unter anderem Menschen aus afrikanischer, asiatischer, lateinamerikanischer oder arabischer Diaspora. Viele Communities nutzen darüber hinaus spezifische Selbstbezeichnungen wie Schwarz, Romnja* oder Indigen, um ihre eigenen Perspektiven sichtbar zu machen.

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Eine treffende deutsche Übersetzung für People of Color gibt es nicht. Begriffe wie „farbig“ sind historisch belastet und sollten vermieden werden, da sie abwertende Fremdzuschreibungen reproduzieren. Deshalb hat sich People of Color auch im deutschsprachigen Raum etabliert.

In rassismuskritischer Bildungsarbeit betonen wir: Niemand wird gezwungen, diese Begriffe für sich selbst zu verwenden. Es geht darum, zu verstehen, was Menschen meinen, wenn sie PoC oder BIPoC nutzen, und die Selbstbezeichnung anderer zu respektieren. Sprache ist hier mehr als Kommunikation – sie kann ein Werkzeug der Würde und Anerkennung sein oder, unreflektiert genutzt, ein Mittel der Abwertung und Fremdbestimmung.

Blackface

Blackface bezeichnet die Praxis, dass weiße Menschen ihr Gesicht dunkel schminken, um Schwarze Menschen darzustellen. Sie entstand im 19. Jahrhundert in den USA, als weiße Schauspieler in Minstrel Shows Schwarze Menschen mit überzogenen Gesten, Sprache und Kleidung karikierten. Diese Darstellungen verbreiteten abwertende Stereotype und dienten dazu, rassistische Hierarchien zu festigen.

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Auch heute ist Blackface keine harmlose Verkleidung: Es reduziert Schwarze Menschen auf Karikaturen, reproduziert koloniale Machtverhältnisse und verletzt die Würde derer, die bis heute Rassismus erfahren. Dabei spielt nicht nur die Absicht eine Rolle, sondern vor allem die Wirkung solcher Darstellungen auf Betroffene.

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Blackface zu hinterfragen bedeutet nicht, Kreativität oder Vielfalt einzuschränken. Es heißt, die Geschichte dieser Praxis zu erkennen, die Perspektiven derjenigen ernst zu nehmen, die davon betroffen sind, und zu einer Gesellschaft beizutragen, in der kulturelle Ausdrucksformen respektvoll behandelt werden.

Black Lives Matter

Black Lives Matter (BLM, englisch für „Schwarze Leben zählen“) ist eine transnationale Bewegung, die sich gegen Rassismus, Polizeigewalt und die strukturelle Benachteiligung Schwarzer Menschen einsetzt. Sie entstand 2013 in den USA, nachdem der Tod des unbewaffneten Jugendlichen Trayvon Martin und der Freispruch des Schützen weltweit Empörung auslösten. Aus einem Social-Media-Hashtag (#BlackLivesMatter) entwickelte sich ein Netzwerk von Aktivist*innen, das regelmäßig Proteste gegen rassistische Gewalt, Racial Profiling und Diskriminierung organisiert.

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Die Bewegung wurde von drei Schwarzen Frauen gegründet und knüpft an die Tradition der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, der Black-Power-Bewegung und an feministische und queere Community-Organizing-Praktiken an. BLM versteht sich als dezentral und basisorientiert: Lokale Gruppen entscheiden eigenständig über ihre Schwerpunkte, um auf konkrete soziale und politische Missstände zu reagieren.

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Black Lives Matter hat es geschafft, weltweit Aufmerksamkeit auf strukturellen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit zu lenken. Die Proteste nach der Ermordung von George Floyd 2020 wurden zu einem globalen Symbol für den Kampf gegen Rassismus und für die Anerkennung der Würde Schwarzer Menschen. BLM fordert nicht nur ein Ende von Polizeigewalt, sondern auch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen hin zu Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und der Stärkung marginalisierter Communities.

Bodyismus

Bodyismus beschreibt die Fixierung auf bestimmte Körpernormen und die Abwertung oder Diskriminierung von Menschen, deren Aussehen von diesen Normen abweicht. Er zeigt sich in Vorurteilen, Stigmatisierung und Schönheitsidealen, die suggerieren, dass nur bestimmte Körper „richtig“ oder „wertvoll“ seien. Menschen, die als „zu dick“, „zu dünn“, „zu alt“, „zu markant“ oder „nicht makellos“ wahrgenommen werden, sind besonders betroffen – ebenso wie Personen mit Behinderungen, sichtbaren Narben oder Merkmalen, die außerhalb eurozentrischer Schönheitsvorstellungen liegen.

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Bodyismus beeinflusst nicht nur das Selbstbild der Betroffenen, sondern wirkt auch strukturell: In Medien, Werbung und Arbeitswelt werden bestimmte Körper bevorzugt dargestellt oder gefördert, während andere unsichtbar bleiben oder abgewertet werden. Rassismuskritische Perspektiven machen deutlich, dass Bodyismus oft mit anderen Diskriminierungsformen verschränkt ist – etwa, wenn Schwarze, asiatische oder indigene Menschen nach kolonial geprägten Schönheitsidealen beurteilt werden.

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Bodyismus zu hinterfragen bedeutet, anzuerkennen, dass Vielfalt in Körperformen, Hautfarben und Erscheinungsweisen Teil einer gerechten Gesellschaft ist – und dass Wert nicht an Äußerlichkeiten geknüpft sein darf.

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