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Glossar

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Race-related Stress

Race Related Stress beschreibt die emotionale, psychische und körperliche Belastung, die Menschen durch rassistische Erfahrungen erleiden. Gemeint ist nicht nur ein einzelnes Ereignis, sondern das ständige Ausgesetztsein gegenüber Abwertung, Ausschluss, Bedrohung oder subtilen Formen von Diskriminierung, etwa im Alltag, im Beruf, in Behörden oder im Gesundheitswesen.

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Diese Belastung ist keine individuelle Empfindlichkeit, sondern eine Folge gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Studien belegen, dass Race Related Stress mit einem erhöhten Risiko für Depressionen, Angstzustände, Schlafprobleme, Bluthochdruck und weiteren Erkrankungen verbunden ist. Besonders belastend ist, dass betroffene Personen oft keine Anerkennung für ihre Erfahrungen erhalten und ihnen stattdessen Überempfindlichkeit oder Opferhaltung unterstellt wird.

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Betroffen sind vor allem Schwarze Menschen, Menschen of Color, Romnja und Sintizze sowie Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte. Die Häufung, Dauer und Tiefe der erlebten Zurückweisungen können zu chronischem Stress oder sogar zu traumatischen Reaktionen führen, ohne dass dies in der Mehrheitsgesellschaft als reale Belastung verstanden wird.

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Um dem entgegenzuwirken, braucht es rassismuskritische Gesundheitsforschung, diskriminierungssensible Versorgung und geschützte Räume, in denen kollektives Verarbeiten und Heilen möglich ist. Wer ernsthaft über Gesundheit sprechen will, muss auch über Rassismus sprechen.

Rasse

Rasse ist keine biologische Realität, sondern ein menschengemachtes Konstrukt. Der Begriff wurde entwickelt, um Menschen anhand äußerlicher Merkmale wie Hautfarbe, Haarstruktur oder Gesichtsform in Gruppen einzuteilen und diese Gruppen hierarchisch zu ordnen. Dabei ging es nicht um Beschreibung, sondern um Macht. Die Idee von Rassen diente als pseudowissenschaftliche Grundlage für Kolonialisierung, Versklavung, Ausbeutung und Vernichtung. Sie rechtfertigte die Unterdrückung ganzer Bevölkerungs-gruppen und war zentraler Bestandteil rassistischer Ideologien, etwa im Nationalsozialismus, in der Skla-verei oder im europäischen Kolonialismus.​

 

Inzwischen ist wissenschaftlich eindeutig belegt, dass es keine menschlichen Rassen im biologischen Sinne gibt. Alle Menschen gehören derselben Spezies an. Unterschiede zwischen Individuen sind genetisch minimal und lassen keine sinnvolle Einteilung in angeblich klar trennbare Gruppen zu. Trotzdem taucht der Begriff Rasse bis heute in Gesetzen, etwa im Grundgesetz, oder in internationalen Konventionen auf. Dort wird er häufig in Anführungszeichen gesetzt oder mit Erklärungen versehen. Viele fordern, ihn aus rechtlichen Texten zu streichen oder durch diskriminierungskritische Begriffe wie rassistische Zuschreibung zu ersetzen. Die Sprache prägt unser Denken. Wer heute von Rasse spricht, sollte sich bewusst sein, dass damit immer auch eine Geschichte von Gewalt, Ausschluss und Hierarchisierung mitschwingt.

Rassismus

Rassismus ist kein Vorurteil, keine persönliche Meinung, keine einzelne Beleidigung. Rassismus ist ein Machtverhältnis. Es sortiert Menschen nach äußerlichen Merkmalen wie Hautfarbe, vermeintlicher Herkunft oder zugeschriebener Kultur und bewertet diese Zuschreibungen, um Ungleichheit zu rechtfertigen.

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Diese Einteilungen sind keine biologischen Fakten. Sie sind erfundene Konstruktionen, entstanden in Zeiten von Kolonialisierung und Versklavung, um Gewalt, Ausbeutung und Unterwerfung zu legitimieren. Wer als minderwertig gilt, kann leichter entrechtet, ent-menschlicht, ausgelöscht werden.

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Rassismus ist deshalb kein historischer Unfall, sondern ein politisches System mit langer Tradition. Es wirkt bis heute in Gesetzen, Institutionen, Medien, Bildung, Polizei, Wohnungsmarkt, Gesundheitswesen und Arbeitswelt. Er ist nicht nur extrem, wenn Menschen attackiert werden. Er ist auch subtil, wenn Menschen übergangen, kleingehalten oder ständig hinterfragt werden.

 

Rassismus funktioniert nicht nur durch Hass, sondern auch durch Normen.​ Er privilegiert weiße Menschen, ob sie das wollen oder nicht. Und er benachteiligt Menschen, die rassistisch markiert werden, oft lebenslang.

Rassismuskritik

Rassismuskritik ist mehr als ein moralisches Statement gegen Diskriminierung. Sie ist ein analytisches Werkzeug, ein politisches Bewusstsein und eine Praxis der Verantwortung. Wer rassismuskritisch denkt, fragt nicht nur ob etwas rassistisch ist, sondern welche Strukturen Rassismus ermöglichen und wer davon profitiert.

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Der Begriff setzt dort an, wo Rassismus nicht als individuelles Fehlverhalten verstanden wird, sondern als tief eingebettetes System. Ein System, das in Sprache, Institutionen, Gesetzen, Bildungsinhalten, kulturellen Normen und alltäglichen Praktiken wirkt. Rassismuskritik richtet den Blick auf diese Ordnungen, nicht um Schuld zu verteilen, sondern um Macht sichtbar zu machen.

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Rassismuskritisch zu arbeiten bedeutet, sich selbst nicht auszunehmen. Es heißt, die eigenen Privilegien, Unbewusstheiten und Verantwortungen zu reflektieren, auch wenn es unbequem ist. Es heißt zuzuhören, zu lernen und nicht reflexhaft abzuwehren. Und es heißt, Räume zu schaffen, in denen marginalisierte Perspektiven nicht nur geduldet, sondern ernst genommen werden.

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Rassismuskritik will nicht versöhnen, wo keine Gleichheit besteht. Sie will verändern, was Ungleichheit aufrechterhält. Sie ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Nicht perfekt, aber notwendig. Denn wer Gerechtigkeit will, muss bereit sein, das eigene Weltbild zu hinterfragen.

Rechtsextremismus

Rechtsextremismus bezeichnet politische und ideologische Strömungen, die auf völkischem Denken, autoritären Gesellschaftsbildern und einer Ablehnung der demokratischen Grundordnung beruhen. Rechtsextreme Gruppen vertreten rassistische, nationalistische und antisemitische Positionen und lehnen eine offene, vielfältige Gesellschaft ab.

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Zentrale Merkmale sind die Vorstellung einer überlegenen Nation oder Kultur, die Abwertung von Menschen, die als fremd oder anders markiert werden, sowie die Ablehnung politischer Gegner und zivilgesellschaftlicher Initiativen. Gewalt gegen Personen oder Institutionen wird oft zumindest geduldet oder aktiv befördert.

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Rechtsextreme Ideologien treten nicht nur in Parteien oder organisierten Gruppierungen auf, sondern auch in Alltagsdiskursen, im Netz, in Musik, Sport oder Jugendszenen. Sie sind anpassungsfähig und nutzen demokratische Freiheiten strategisch, um antidemokratische Ziele zu verfolgen.

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Der Begriff ist kein Synonym für konservativ. Rechtsextremismus stellt eine fundamentale Bedrohung für Demokratie, Menschenrechte und gesellschaftlichen Zusammenhalt dar.

Regenbogenfamilie

Regenbogenfamilien sind Familien, in denen mindestens ein Elternteil lesbisch, schwul, bi, trans oder queer ist. Sie entstehen auf unterschiedliche Weise, etwa durch leibliche Kinder, Adoption, Pflegekindschaft, Samenspende oder aus früheren heterosexuellen Beziehungen.

Der Begriff macht sichtbar, dass Familie nicht an ein bestimmtes Geschlechtermuster gebunden ist. Er steht für die Vielfalt elterlicher Lebensformen und stellt die Vorstellung infrage, nur heterosexuelle Zweigeschlechterkonstellationen seien normal.

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Regenbogenfamilien sind kein Sonderfall. Sie leben in allen sozialen Schichten, Kulturen und Regionen. Gleichzeitig erleben sie rechtliche Hürden, fehlende Anerkennung oder offene Ablehnung. Das betrifft zum Beispiel die Elternschaftsanerkennung oder den Umgang mit Behörden, Schulen und medizinischen Einrichtungen.

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Der Begriff ist auch politisch. Er fordert rechtliche Gleichstellung, gesellschaftliche Sichtbarkeit und die Anerkennung unterschiedlicher familiärer Realitäten.

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Familie ist dort, wo Fürsorge, Verantwortung und Zusammenhalt gelebt werden. Regenbogenfamilien zeigen, dass Vielfalt in Elternschaft längst Realität ist.

Reproduktion

Reproduktion meint das Wiederherstellen, Festigen oder Weitergeben von bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen. In diskriminierungskritischen Zusammenhängen beschreibt der Begriff, wie Ungleichheiten, etwa Rassismus, Sexismus oder Klassismus, nicht nur entstehen, sondern auch alltäglich aufrechterhalten werden.

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Diese Prozesse sind oft unsichtbar. Sie zeigen sich nicht nur in offensichtlichen Taten, sondern in Routinen, Normen, Sprache, Bildung, Medien, Gesetzen oder Einstellungen. Wer zum Beispiel in der Schule nur europäische Geschichte lernt oder in Stellenanzeigen nur "perfektes Deutsch" erwartet, trägt zur Reproduktion bestehender Machtverhältnisse bei, auch ohne böse Absicht.

 

Reproduktion ist kein statischer Zustand, sondern ein ständiges Geschehen.  Menschen, Institutionen und Strukturen greifen ineinander. Wenn keine bewusste Unterbrechung stattfindet, bleibt alles beim Alten, nicht weil es gut ist, sondern weil es gewohnt ist.

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Rassismuskritische Praxis fragt deshalb immer: Was wird hier gerade mittransportiert? Welche Bilder, welche Werte, welche Ausschlüsse? Und wer profitiert davon? Nur wer Reproduktion erkennt, kann Veränderung überhaupt erst denken.

Reverse Racism

Der Ausdruck Reverse Racism meint die Vorstellung, dass auch weiße Menschen rassistisch benachteiligt würden. Er taucht vor allem dann auf, wenn Maßnahmen gegen Rassismus, Vielfalt in Institutionen oder politische Sichtbarkeit von Minderheiten als vermeintlich ungerecht empfunden werden.

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Diese Sichtweise verkennt, was Rassismus eigentlich ist. Rassismus ist nicht nur ein Vorurteil, sondern ein gesellschaftliches Machtverhältnis. Es geht nicht bloß darum, ob jemand unfair behandelt wird, sondern darum, dass bestimmte Gruppen dauerhaft von zentralen Ressourcen, Rechten und Anerkennung ausgeschlossen werden, unterstützt durch Gesetze, Medien, Behörden oder Bildungseinrichtungen.

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Wer Rassismus einfach umdrehen will, blendet aus, wie tief die Geschichte kolonialer Gewalt und sozialer Hierarchien in unsere Gegenwart hineinwirkt. Weiße Menschen können Zurückweisung erleben oder kritisiert werden. Aber solange sie nicht kollektiv entmenschlicht oder systematisch benachteiligt werden, ist das kein Rassismus.

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Reverse Racism ist also kein echter Begriff für ein reales Phänomen, sondern ein Abwehrreflex. Er wird benutzt, um eigene Privilegien zu verteidigen und die Notwendigkeit antirassistischer Veränderungen zu relativieren.

Roma

Roma bezeichnet eine der größten ethnischen Minderheiten Europas. Roma leben seit Jahrhunderten in vielen Ländern Europas, etwa in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, der Slowakei, Serbien, Deutschland, Frankreich und Spanien. Der Begriff Roma wird heute häufig als Sammelbezeichnung verwendet und schließt verschiedene Gruppen ein, darunter Sinti, Kalé, Lovara, Manouches, Romanichals und viele andere, die sich teilweise deutlich in Sprache, Geschichte und kultureller Praxis unterscheiden. Nicht alle Menschen, die von außen als Roma bezeichnet werden, verwenden diese Selbstbezeichnung. Manche lehnen sie ab, andere wählen spezifischere oder regionale Begriffe.

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Roma erleben seit Jahrhunderten systematische Ausgrenzung, Entrechtung und Gewalt. Die Geschichte ist von Diskriminierung, Zwangsassimilation, Vertreibung und Verfolgung geprägt – bis hin zum Völkermord im Nationalsozialismus, der von Roma selbst als Porajmos oder Samudaripen bezeichnet wird. Die Anerkennung dieses Genozids erfolgte in vielen Ländern spät und oft zögerlich. Auch in der Gegenwart sind Antiziganismus, institutionelle Diskriminierung und rassistische Gewalt weit verbreitet. Die Lebensrealitäten vieler Roma sind weiterhin durch strukturelle Benachteiligung im Zugang zu Bildung, Arbeit, Wohnraum und medizinischer Versorgung geprägt.

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Roma werden häufig als Projektionsfläche für rassistische Zuschreibungen genutzt: etwa als vermeintlich „fremd“, „armutsmigrierend“, „bildungsfern“ oder „nicht integrationsfähig“. Diese Klischees verschleiern die gesellschaftliche Verantwortung für soziale Ausschlüsse und legitimieren diskriminierende Politiken, zum Beispiel Abschiebungen in sogenannte „sichere Herkunftsstaaten“ oder Sonderklassen in Schulsystemen. Antiziganismus ist dabei nicht nur ein individuelles Vorurteil, sondern ein tief verwurzeltes strukturelles Problem europäischer Gesellschaften.​​

 

Zugleich existieren widerständige, kulturell vielfältige und international vernetzte Roma-Communities, die sich gegen Diskriminierung wehren, Geschichte sichtbar machen und für politische Teilhabe kämpfen. Der Internationale Roma-Tag am 8. April erinnert an die Gründung des ersten Welt-Roma-Kongresses 1971 in London und steht für ein selbstbewusstes politisches Auftreten. Die Farben Blau und Grün der Roma-Flagge mit dem roten Wagenrad symbolisieren sowohl Herkunft als auch Bewegung, Geschichte und Zukunft.

 

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