Glossar
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Marginalisierung
bezeichnet den Prozess, durch den Menschen oder Gruppen systematisch aus gesellschaftlichen Machtzentren ausgeschlossen und an den Rand gedrängt werden. Sie betrifft nicht nur einzelne Personen, sondern entsteht durch politische, ökonomische und kulturelle Strukturen, die bestimmten Gruppen den Zugang zu Ressourcen, Rechten und Sichtbarkeit erschweren oder verwehren.
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Marginalisierung kann viele Formen annehmen. Menschen werden übersehen, nicht mitgedacht, abgewertet oder aktiv diskriminiert – in Bildung, im Gesundheitswesen, auf dem Arbeitsmarkt, in der politischen Repräsentation oder im kulturellen Gedächtnis. Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, Religion, Behinderung, soziale Lage oder sexuelle Orientierung können Auslöser für diesen Ausschluss sein, oft in überlappender Weise.
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Marginalisierung ist kein Randphänomen, sondern zentraler Bestandteil gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Wer marginalisiert wird, hat meist geringeren Zugang zu Ressourcen, geringere Handlungsspielräume und weniger Einfluss darauf, wie Gesellschaft gestaltet wird. Gleichzeitig wird Verantwortung für den Ausschluss oft den Betroffenen selbst zugeschrieben.
Der Begriff macht deutlich, dass Gleichberechtigung nicht durch Absicht, sondern durch Struktur verhindert wird. Wer marginalisierte Positionen sichtbar machen will, muss die Bedingungen hinterfragen, unter denen Zentrum und Rand überhaupt entstehen.
Mehrheitsgesellschaft
Mehrheitsgesellschaft bezeichnet die dominante gesellschaftliche Gruppe, die nicht nur zahlenmäßig groß ist, sondern vor allem politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Einfluss besitzt. Sie bestimmt, was als normal, vernünftig oder wünschenswert gilt. Ihre Vorstellungen von Sprache, Verhalten, Zugehörigkeit oder Bildung werden oft zur allgemeinen Norm erklärt, ohne dass diese Position als spezifisch oder privilegiert wahrgenommen wird.
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Die Mehrheitsgesellschaft prägt Institutionen, Medien, Gesetze und Alltagskultur. Sie verfügt über Deutungshoheit, das heißt sie kann festlegen, was als anerkennenswert, problematisch oder fremd gilt. Diese Macht wird selten offen benannt, aber sie wirkt. Wer nicht Teil der Mehrheitsgesellschaft ist, erlebt oft, dass die eigene Perspektive nicht mitgedacht wird – oder nur dann sichtbar wird, wenn sie als abweichend erscheint.
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Der Begriff macht deutlich, dass gesellschaftliche Ungleichheit nicht nur am Rand entsteht, sondern im Zentrum verankert ist. Die Mehrheitsgesellschaft ist kein neutraler Hintergrund, sondern eine aktive Kraft in der Produktion von Normen und Ausschlüssen. Ihre Unsichtbarkeit ist Teil ihres Einflusses.
Migrant:innen-selbstorganisationen
MSOs sind Zusammenschlüsse von Menschen mit Migrationsgeschichte, die von diesen selbst gegründet und getragen werden. MSOs vertreten eigene Interessen, schaffen Räume für politische, kulturelle und soziale Teilhabe und leisten einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Entwicklung der Gesellschaft. Sie wirken als Stimme marginalisierter Gruppen, setzen sich gegen Diskriminierung ein und bringen migrantische Perspektiven in öffentliche Diskurse, Institutionen und Entscheidungsprozesse ein.
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MSOs übernehmen Funktionen, die staatliche Strukturen oft nicht ausreichend abdecken, z.B. etwa Beratung, Empowerment, Interessenvertretung oder Community-Building. Sie stärken Selbstorganisation, fördern Solidarität innerhalb und zwischen Communitys und fungieren als Brückeninstanzen zwischen Gesellschaft, Verwaltung und Politik.
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Obwohl MSOs häufig unter prekären Bedingungen arbeiten und strukturell benachteiligt werden, gehören sie seit Jahrzehnten zum zivilgesellschaftlichen Fundament Deutschlands. Ihre Arbeit ist Ausdruck gelebter Demokratie und ein unverzichtbarer Bestandteil pluraler Gesellschaften.​ MSOs sind nicht „Vertretung von außen“, sondern Organisierung von innen – aus Erfahrung, aus Not-wendigkeit und mit dem Ziel, selbstbestimmt Gesellschaft mitzugestalten.
Migration
bezeichnet die räumliche Bewegung von Menschen von einem Ort zu einem anderen. Sie kann innerhalb eines Landes stattfinden oder grenzüberschreitend erfolgen. Migration kann dauerhaft oder vorübergehend sein, geplant oder plötzlich, freiwillig oder erzwungen. Menschen migrieren aus ganz unterschiedlichen Gründen. Sie ziehen um, weil sie Arbeit oder Bildung suchen, weil sie ihre Familie wiedersehen wollen, weil sie von Gewalt, Krieg, Verfolgung oder Klimafolgen bedroht sind oder weil sie sich ein Leben in Würde erhoffen.​
Migration ist kein neues Phänomen, sondern Bestandteil menschlicher Geschichte. Sie prägt Gesellschaften, verändert Räume, schafft Begegnungen und bringt Herausforderungen mit sich. Migration erzeugt soziale, politische und wirtschaftliche Dynamiken – nicht nur im Land, in das Menschen einwandern, sondern auch in den Regionen, die sie verlassen oder durchqueren.
In politischen Debatten wird Migration oft verkürzt dargestellt, als Bedrohung, als Problem oder als Ausnahme. Tatsächlich ist sie ein normaler Teil globaler Lebensrealitäten. Wer über Migration spricht, spricht auch über Macht, Grenzregime, globale Ungleichheit, Verantwortung und Zukunft. Migration ist weder gut noch schlecht. Sie ist komplex, widersprüchlich und allgegenwärtig. Wer Gesellschaft verstehen will, muss Migration mitdenken.
Migrationsgesellschaft
Migrationsgesellschaft bezeichnet eine Gesellschaft, in der Migration nicht als Ausnahme, sondern als dauerhafte und prägende Realität verstanden wird. Migration ist keine Randerscheinung, sondern Teil der gesellschaftlichen Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Der Begriff macht deutlich, dass gesellschaftliche Strukturen, Institutionen, Kulturen und Selbstbilder durch vielfältige Migrationsbewegungen mitgestaltet wurden und weiterhin werden. Migrationsgesellschaft meint nicht, dass einige migrieren und die anderen nicht, sondern dass alle in einer Gesellschaft leben, die durch Migration geformt ist. Wer dazugehört, wer mitredet, wer repräsentiert wird und wer nicht, sind Fragen, die in der Migrationsgesellschaft im Zentrum stehen. Sie betreffen alle, nicht nur die, denen eine sogenannte Migrationsgeschichte zugeschrieben wird.​
Der Begriff verweist auf ungleiche Verhältnisse: Menschen mit Migrationsgeschichte werden häufig ausgeschlossen, marginalisiert oder als Problem markiert, während weiße deutsche Normalität als selbstverständlich gilt. Die Rede von der Migrationsgesellschaft fordert dazu auf, diese Machtverhältnisse sichtbar zu machen und neue Formen von Zugehörigkeit, Repräsentation und Gerechtigkeit zu entwickeln. Migrationsgesellschaft ist keine Ideal-vorstellung, sondern eine Beschreibung realer Verhältnisse, mit all ihren Spannungen, Widersprüchen und Veränderungspotenzialen. Sie anerkennt Vielfalt nicht als Abweichung, sondern als Ausgangspunkt.
Migrationshintergrund
Migrationshintergrund ist eine statistische Kategorie, die eingeführt wurde, um Menschen zu erfassen, die selbst oder deren Eltern nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurden. Laut Definition des Statistischen Bundesamts zählt dazu, wer selbst oder mindestens ein Elternteil bei Geburt keine deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Die Kategorie umfasst Zugewanderte, Eingebürgerte, Spätaussiedlerinnen sowie ihre in Deutschland geborenen Kinder.​
Der Begriff wurde 2005 im Mikrozensus eingeführt, um gesellschaftliche Entwicklungen und Benachteiligungen auch über die Kategorie ausländische Staatsangehörigkeit hinaus sichtbar zu machen. Er erlaubt es, strukturelle Ausschlüsse und soziale Ungleichheiten zu erfassen, die sonst statistisch unterbelichtet blieben. In diesem Sinn hat der Begriff eine analytische Funktion – seine Übertragung in den Alltag ist jedoch problematisch.
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In der öffentlichen Sprache wirkt die Kategorie oft wie ein Etikett, das Zugehörigkeit infrage stellt. Wer als Person mit Migrationshintergrund gilt, wird häufig als Abweichung von der Norm wahrgenommen, unabhängig davon, ob er oder sie in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Damit zementiert der Begriff die Idee, dass Deutschsein an Herkunft oder Abstammung gekoppelt sei.
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Zugleich ist der Begriff unscharf. Er sagt nichts aus über Religion, Sprache, soziale Lage, Diskriminierungs-erfahrungen oder die eigene Selbstbezeichnung. Menschen, die rassistisch diskriminiert werden, aber keinen Migrationshintergrund haben, tauchen in dieser Kategorie nicht auf. Umgekehrt gelten Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit und internationaler Familiengeschichte weiterhin als „anders“, obwohl sie längst Teil dieser Gesellschaft sind.
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Migrationshintergrund ist keine neutrale Beschreibung, sondern eine Zuschreibung, die soziale Grenzen markiert. Wer eine diskriminierungskritische Sprache sucht, sollte genau prüfen, ob der Begriff überhaupt notwendig ist und was stattdessen präziser gesagt werden kann.​
Was kann stattdessen gesagt werden?
Menschen mit Einwanderungsgeschichte,
Menschen mit Migrationsbiografie,
Menschen mit Migrationserbe,
Menschen mit internationaler Geschichte.
Oder einfach: Deutsche.
Mikroaggressionen
Mikroaggressionen sind subtile, oft unbewusste Formen von Diskriminierung, die sich in alltäglichen Bemerkungen, Gesten oder Handlungen zeigen. Sie erscheinen harmlos oder beiläufig, können aber tief verletzen. Typisch sind Fragen wie „Wo kommst du wirklich her“, überraschtes Staunen über Sprachkenntnisse, stereotype Witze oder irritierte Reaktionen auf Kleidung, Aussehen oder Familienkonstellationen. Solche Äußerungen markieren, wer als Abweichung von der Norm wahrgenommen wird – und wer als Teil davon gilt.
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Mikroaggressionen sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Sie beruhen auf normierenden Vorstellungen davon, was als „neutral“, „normal“ oder „zugehörig“ gilt. Die Betroffenen erleben durch sie immer wieder das Gefühl, hinterfragt, fremdgemacht oder abgewertet zu werden. Gerade weil Mikroaggressionen oft nicht offen feindselig daherkommen, sind sie schwer benennbar und werden von den Verursachenden häufig relativiert oder geleugnet.
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In ihrer Häufung wirken Mikroaggressionen belastend. Sie können zu psychischem Stress, Rückzug, Überanpassung oder dauerhafter Verunsicherung führen. Für die Betroffenen sind sie keine Kleinigkeit, sondern ein wiederkehrender Eingriff in Würde, Identität und Sicherheit.
Mikroaggressionen zeigen, wie tief Diskriminierung im Alltäglichen verankert ist. Wer sie erkennen und unterbrechen will, muss bereit sein, zuzuhören, Verantwortung zu übernehmen und das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen.
Minderheit
bezeichnet eine gesellschaftliche Gruppe, die in Bezug auf Macht, Einfluss oder Sichtbarkeit benachteiligt ist. Dabei geht es nicht vorrangig um zahlenmäßige Unterlegenheit, sondern um asymmetrische Machtverhältnisse, die bestimmte Gruppen strukturell ausschließen, marginalisieren oder unsichtbar machen. Merkmale wie ethnische Herkunft, Sprache, Religion, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität oder soziale Position können dabei zur Grundlage von Diskriminierung werden.
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Der Begriff Minderheit beschreibt kein neutrales Zahlenverhältnis, sondern verweist auf gesellschaftliche Ungleichheit. Auch Gruppen, die zahlenmäßig groß sind, können als Minderheit gelten, wenn sie institutionell, politisch oder medial unterrepräsentiert und diskriminierungsanfällig sind – etwa Roma, Schwarze Menschen oder queere Personen in vielen Kontexten.
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Der Schutz von Minderheitenrechten ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Er zielt darauf ab, gleiche Teilhabe zu ermöglichen, Differenz anzuerkennen und Machtasymmetrien aktiv abzubauen. Dabei geht es nicht um Sonderrechte, sondern um die Herstellung von Gerechtigkeit in einer Gesellschaft, die nicht für alle gleich funktioniert.
Moslem
Moslem ist eine ältere, heute jedoch vielfach als problematisch empfundene Bezeichnung für eine Person muslimischen Glaubens. Obwohl der Begriff über Jahrzehnte im Deutschen üblich war, z.B. in Schulbüchern, Medien oder Behörden, wird er mittler-weile von vielen Menschen als veraltet, fremd-bezeichnend oder sogar abwertend wahrgenommen.
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Ein zentraler Kritikpunkt ist die historische Herkunft: Der Ausdruck „Moslem“ wurde im 19. und 20. Jahrhundert insbesondere im kolonialen, orientalistisch geprägten Sprachgebrauch verwendet. Er steht damit in einer Tradition, in der der Islam als rückständig, gefährlich oder exotisch dargestellt wurde und muslimische Menschen als das „Andere“ markiert wurden. Zudem liegt die Aussprache phonetisch weiter vom arabischen Original „Muslim“ (Plural: MuslimÅ«n) entfernt. In vielen Dialekten klang „Moslem“ zudem hart oder abwertend, insbesondere dann, wenn es bewusst kontrastiv zu „Christen“ oder „Juden“ verwendet wurde.
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Im Unterschied dazu ist „Muslim“ nicht nur die korrekte Transkription des arabischen Begriffs, sondern auch die international gebräuchliche Selbstbezeichnung. Sie signalisiert Respekt gegenüber der Sprache, der Religion und den Betroffenen selbst – unabhängig davon, ob diese tatsächlich gläubig sind oder nur so gelesen werden.
Mobilitäts-einschränkungen
Mobilitätseinschränkungen bezeichnen Barrieren, die die Bewegungsfreiheit und räumliche Zugänglichkeit von Menschen einschränken. Sie können durch körperliche, gesundheitliche, infrastrukturelle oder gesellschaftliche Faktoren entstehen. Manche bestehen nur vorübergehend, andere dauerhaft. In jedem Fall erschweren sie die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, Arbeit, öffentlichen Dienstleistungen, Kultur und politischem Leben.
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Mobilitätseinschränkungen entstehen nicht nur durch individuelle Bedingungen wie chronische Erkrankungen, Verletzungen oder Alter, sondern oft durch eine Umwelt, die nicht barrierefrei gestaltet ist. Fehlende Aufzüge, enge Türen, unebene Wege, unlesbare Beschilderungen oder schwer erreichbare Orte machen Räume für viele Menschen unzugänglich. Auch soziale und ökonomische Faktoren wie Armut, Isolation oder fehlende Verkehrsanbindung können Mobilität einschränken.
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Der Begriff macht deutlich, dass Barrierefreiheit kein Extra sein darf, sondern als Standard gedacht werden muss. Mobilitätseinschränkungen zeigen, wie ausgrenzend Räume und Infrastrukturen sein können, wenn sie nicht für alle geplant werden. Mobilitätseinschränkungen sind kein individuelles Defizit, sondern oft das Ergebnis einer nicht barrierebewussten Umgebung. Inklusive Gestaltung schafft Bewegungsfreiheit für alle – auch für ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen oder Menschen mit temporären Einschränkungen.
Multiplikator:in
Multiplikator:in bezeichnet eine Person, die Wissen, Haltungen oder Kompetenzen gezielt an andere Menschen weitervermittelt, mit dem Ziel, Wirkung über den eigenen Wirkungskreis hinaus zu entfalten. Multiplikator:innen agieren in Bildungsarbeit, politischen Bewegungen, sozialen Projekten oder zivilgesellschaftlichen Kontexten.
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Sie vermitteln nicht nur Inhalte, sondern stärken auch Handlungsfähigkeit, regen zur Reflexion an und fördern kollektives Lernen. Im Kern geht es bei Multiplikation um die bewusste Weitergabe transformierenden Wissens, oft von marginalisierten in Richtung breiterer gesellschaftlicher Gruppen oder innerhalb von Communitys. Multiplikato:rinnen wirken als Brückenbauer:innen: zwischen Theorie und Praxis, zwischen Organisation und Zielgruppe, zwischen Betroffenenwissen und institutionellem Lernen.
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Multiplikator:innen sind besonders wichtig in diskriminierungskritischer Bildungsarbeit, Awareness-Prozessen und Demokratieförderung: Sie tragen Inhalte in Teams, Gremien oder lokale Strukturen hinein, regen zur Auseinandersetzung an und begleiten Veränderungen, häufig auf Augenhöhe mit den Menschen, die sie erreichen wollen.
Muslim / Muslima
Muslim / Muslima bezeichnen Personen, die dem Islam angehören oder sich als Angehörige dieser Religion verstehen. Die Begriffe stehen nicht nur für eine religiöse Zugehörigkeit, sondern werden in gesellschaftlichen Kontexten häufig auch ethnisch, kulturell oder politisch aufgeladen, etwa, wenn Menschen allein aufgrund ihres Namens, Aussehens oder familiären Hintergrunds als „Muslim:innen“ gelesen werden, auch wenn sie selbst keiner religiösen Praxis folgen.
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In westlichen Diskursen werden „Muslim“ und „Muslima“ oft nicht als neutrale Bezeichnungen verwendet, sondern mit stereotypen Bildern, Sicherheitsnarrativen und pauschalen Zuschreibungen verbunden. So wird die muslimische Identität häufig externalisiert („nicht von hier“), als homogen imaginiert („die Muslime“) und mit bestimmten kulturellen oder politischen Vorstellungen gleichgesetzt („Ehre“, „Unterdrückung“, „Islamismus“).
Diese Fremdzuschreibungen ignorieren die Vielfalt muslimischer Lebensrealitäten – von säkular bis religiös, von progressiv bis konservativ, von queer bis traditionalistisch – und reproduzieren koloniale Muster der Othering. Der Begriff „Muslima“ wird besonders häufig in politisch aufgeladener Weise verwendet, etwa im Kontext von Kopftuchdebatten, Integrationsdiskursen oder vermeintlicher Geschlechtergerechtigkeit. Dabei wird nicht selten über Muslimas gesprochen, aber selten mit ihnen.
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Nicht alle Menschen, die als Muslim oder Muslima wahrgenommen werden, identifizieren sich selbst so, doch sie können dennoch von antimuslimischem Rassismus betroffen sein. Um dem gerecht zu werden, ist eine differenzierte, respektvolle und selbstbezeichnungssensible Sprache wichtig.
Muslimfeindlichkeit
bezeichnet Vorurteile, Abwertungen und feindselige Einstellungen gegenüber Musliminnen und Muslimen – oder Personen, die als solche gelesen werden. Sie äußert sich in misstrauischem oder feindseligem Verhalten, in diskriminierenden Strukturen sowie in sozialer, rechtlicher und institutioneller Benachteiligung. Betroffen sind sowohl religiös praktizierende Muslim*innen als auch Menschen, denen pauschal eine „muslimische“ Identität zugeschrieben wird – etwa aufgrund von Namen, Hautfarbe, Kleidung oder Herkunft.
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Muslimfeindlichkeit speist sich aus religiösen Ressentiments, kolonialen Bildern, sicherheitspolitischer Rhetorik und einer vermeintlich „aufgeklärten“ Islamkritik, die kulturelle Überlegenheitsnarrative fortschreibt. Sie verschränkt sich häufig mit Rassismus, insbesondere wenn Menschen allein aufgrund äußerer Merkmale pauschal als „fremd“, „rückständig“ oder „gefährlich“ markiert werden.
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Der Begriff antimuslimischer Rassismus wird in vielen Kontexten dem Begriff Islamfeindlichkeit oder Muslimfeindlichkeit vorgezogen, weil er nicht nur individuelle Vorurteile beschreibt, sondern die strukturelle, rassifizierende Logik in den Blick nimmt, die Menschen auf eine vermeintlich „muslimische“ Identität reduziert. Während „Islamfeindlichkeit“ vordergründig eine Kritik an einer Religion suggerieren kann, benennt „antimuslimischer Rassismus“ die soziale Konstruktion von „dem Muslim“ als Feindbild – unabhängig von tatsächlichem Glauben oder Verhalten.
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Muslimfeindlichkeit kann sich zeigen in abwertenden Medienbildern, der Stigmatisierung muslimischer Frauen, pauschalen Sicherheitsdiskursen, fehlender Repräsentation, Einschränkungen religiöser Praxis (z. B. Kopftuchverboten), Alltagsdiskriminierung oder körperlichen Angriffen. Sie wird befeuert durch politische Debatten, die „den Islam“ als Problem diskutieren, ohne zwischen politischer Ideologie, individueller Religionspraxis und rassistischer Projektion zu unterscheiden.