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AutorenbildErcan Carikci

Haben wir Angst, über Antisemitismus zu sprechen?

Die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten, insbesondere der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, haben die Welt erschüttert. Dieser schreckliche Vorfall, bei dem Hunderte unschuldige Menschen getötet und Tausende verletzt wurden, hat nicht nur die politische Lage verschärft, sondern auch weltweit eine neue Welle antisemitischer Gewalt entfacht. Jüdinnen und Juden wurden in vielen Ländern Ziel von Übergriffen, was erneut die tiefen Wurzeln des Antisemitismus in der Gesellschaft offenbart.


Trotz der offensichtlichen Dringlichkeit, sich mit Antisemitismus auseinanderzusetzen, zögern viele Menschen, das Thema anzusprechen. Oft herrscht die Angst, etwas falsch zu sagen oder in eine politische Debatte hineingezogen zu werden. Doch genau dieses Schweigen trägt dazu bei, dass Vorurteile bestehen bleiben und der Hass weiter wächst.


Haben wir Angst, über Antisemitismus zu sprechen

1. Die Angst vor Fehlern und Unwissenheit überwinden


Eine der größten Hürden im Umgang mit Antisemitismus ist die Furcht, durch Unwissenheit oder falsche Aussagen anzuecken. Besonders in Deutschland und anderen Ländern mit einer historischen Verantwortung fällt es vielen Menschen schwer, das Thema ohne Unsicherheit anzugehen. Sie befürchten, falsch verstanden zu werden oder unbeabsichtigt antisemitische Stereotype zu reproduzieren.

Doch diese Angst darf nicht dazu führen, dass wir das Thema meiden. Schweigen lässt Vorurteile unangefochten bestehen. Yad Vashem, das weltweit führende Zentrum für Holocaust-Forschung und -Erziehung, betont, dass der erste Schritt zur Überwindung von Vorurteilen in Bildung und offener Reflexion besteht. Unwissenheit ist kein Makel, sondern der Anfang eines Lernprozesses (www.yadvashem.org).


2. Antisemitismus in der Gegenwart: Vom Nahostkonflikt bis zum Westen


Die Geschehnisse vom 7. Oktober 2023 haben gezeigt, wie schnell globale politische Ereignisse antisemitische Tendenzen befeuern können. In den Wochen nach diesem Angriff stiegen die antisemitischen Vorfälle weltweit an, vor allem in Europa und den USA. Ein Bericht des Kantor Centers an der Universität Tel Aviv dokumentiert diesen Anstieg und warnt davor, dass der Nahostkonflikt häufig als Vorwand für antisemitische Gewalt missbraucht wird (Kantor Center, 2023).


3. Politische Sensibilität: Die Herausforderung eines globalen Problems


Es ist entscheidend, Antisemitismus als eigenständiges Phänomen zu betrachten, das unabhängig von geopolitischen Entwicklungen bekämpft werden muss. Der Israel-Palästina-Konflikt wird oft als Deckmantel genutzt, um antisemitische Vorurteile zu rechtfertigen. Doch wie das Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism an der Hebräischen Universität Jerusalem betont, müssen wir klar trennen zwischen politischem Diskurs und antisemitischen Haltungen. Antisemitismus ist eine Form der Diskriminierung, die in jeder Form verurteilt werden muss (https://en.sicsa.huji.ac.il).


4. Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart: Lernen aus der Geschichte


Um die heutigen Formen des Antisemitismus zu verstehen, müssen wir die historische Dimension berücksichtigen. Der Holocaust war der Höhepunkt einer langen Geschichte der Judenfeindlichkeit, aber er markierte keineswegs das Ende des Antisemitismus. Das Strochlitz Institute of Holocaust Studies an der Universität Haifa unterstreicht, dass die Reflexion über den Holocaust entscheidend ist, um die Mechanismen von Hass und Diskriminierung zu erkennen und zu verhindern, dass sich diese Muster wiederholen (https://holocaust-center.haifa.ac.il).


5. Bildung als Schlüssel zur Prävention


Bildung ist das wirksamste Mittel zur Bekämpfung von Antisemitismus. Das Lookstein Center for Jewish Education an der Bar-Ilan-Universität weist darauf hin, dass Bildungsinitiativen darauf abzielen müssen, Vorurteile zu hinterfragen und den Mut zu fördern, über schwierige Themen wie Antisemitismus zu sprechen. Die Begegnung mit Überlebenden des Holocaust spielt eine zentrale Rolle in der Bildung, da diese persönlichen Geschichten Empathie fördern und das Bewusstsein für die Folgen von Hass schärfen (https://www.lookstein.org).


Schlussfolgerung


Antisemitismus ist nach wie vor eine globale Bedrohung. Die Ereignisse des 7. Oktober 2023 und die anschließenden antisemitischen Vorfälle weltweit zeigen, dass diese Vorurteile tief in der heutigen Gesellschaft verwurzelt sind. Angst vor Fehlern oder vor politischen Auseinandersetzungen darf uns nicht davon abhalten, über Antisemitismus zu sprechen und dagegen vorzugehen.


Nur durch Bildung, offene Diskussionen und die Bereitschaft, eigene Vorurteile zu hinterfragen, können wir Antisemitismus nachhaltig bekämpfen. Die aktuellen Berichte des Kantor Centers und anderer Institutionen verdeutlichen, dass Antisemitismus ein wachsendes Problem ist, das entschlossene Präventionsmaßnahmen erfordert. Bildungseinrichtungen weltweit spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung eines offenen Dialogs und dem Abbau von Vorurteilen. Der Weg zu einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft beginnt mit dem Mut, schwierige Themen wie Antisemitismus offen zu diskutieren.


Quellen:

  1. Kantor Center for the Study of Contemporary European Jewry, Annual Report on Worldwide Antisemitism 2023. Online verfügbar unter: https://cst.tau.ac.il/annual-reports-on-worldwide-antisemitism

  2. Yad Vashem, Educational Programs for Holocaust Remembrance. Online verfügbar unter: https://www.yadvashem.org

  3. Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism, Hebräische Universität Jerusalem. Online verfügbar unter: https://en.sicsa.huji.ac.il

  4. Strochlitz Institute of Holocaust Studies, Universität Haifa. Online verfügbar unter: https://holocaust-center.haifa.ac.il

  5. Lookstein Center for Jewish Education, Bar-Ilan-Universität. Online verfügbar unter: https://www.lookstein.org

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