In den letzten Monaten haben wir uns intensiv mit dem Thema antimuslimischer Rassismus beschäftigt und zahlreiche Interviews sowie Fokusgruppen durchgeführt. Die Erfahrungen und Bedürfnisse der Betroffenen, die wir in diesen Gesprächen erfassten, bestätigen zentrale Erkenntnisse der Rassismusforschung und stellen eine wichtige Grundlage für Präventionsarbeit dar.
Erschöpfung und Belastung durch antimuslimischen Rassismus: Die unsichtbaren Auswirkungen
Eine der zentralen Erkenntnisse unserer Forschung ist die immense Erschöpfung, die viele Betroffene aufgrund anhaltender Diskriminierungserfahrungen verspüren. Diese Erschöpfung lässt sich im Kontext der Theorie „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ (GBM), die von Wilhelm Heitmeyer entwickelt wurde, gut verorten. Heitmeyers Konzept beschreibt, wie bestimmte Gruppen in der Gesellschaft systematisch abgewertet werden, was langfristig zu einem Gefühl der Ohnmacht und Isolation führen kann.
Diese Ohnmacht äußert sich oft darin, dass Diskriminierungserfahrungen nicht gemeldet werden. Betroffene sprechen darüber innerhalb ihrer Communities, aber sie scheuen sich, staatliche Beratungsstellen oder Institutionen zu kontaktieren. Diese Zurückhaltung ist ebenso auf das tiefsitzende Misstrauen gegenüber staatlichen Strukturen zurückzuführen, welches durch konkrete Vorfälle weiter verstärkt wird. Ein aktuelles Beispiel ist das umstrittene Video des bayerischen Innenministeriums, das muslimische Menschen durch die Gleichsetzung des Islams mit Salafismus und Extremismus als verdächtig darstellt. Diese Pauschalisierung fördert das Gefühl der Ausgrenzung und erschwert den Zugang zu staatlichen Institutionen.
Antimuslimischer Rassismus - Der Bedarf nach Unterstützung
Die Menschen, mit denen wir sprachen, äußern immer wieder den Wunsch nach gezielter Beratung und Unterstützung. Hieran wird ein weiteres wichtiges Konzept der Rassismusforschung deutlich: die sogenannte „Intersektionalität“. Betroffene muslimischer Communities sind oft mehrfach diskriminiert – aufgrund von Religion, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht. Die systemische Verflechtung dieser Diskriminierung-Achsen erschwert den Zugang zu Ressourcen und verstärkt die sozialen Ungleichheiten.
Unsere Forschung bestätigt die von Iman Attia betonte Notwendigkeit, Räume zu schaffen, in denen marginalisierte Gruppen ihre Erfahrungen teilen können, ohne stigmatisiert zu werden. Solche Räume müssen sicher, zugänglich und von staatlichen Strukturen unabhängig sein, um Vertrauen zu schaffen. Es braucht umfassendere Angebote, die nicht nur Diskriminierungserfahrungen dokumentieren, sondern maßgeblich präventive Angebote, welche über individuelle Einzelfälle hinaus auf strukturelle Diskriminierung eingeht.
Die Frage: „Engagiert Ihr Euch auch gegen Extremismus?“
Immer wieder taucht die Frage auf, ob wir uns auch gegen Extremismus engagieren. Diese Frage ist wichtig und berechtigt, sie erfordert eine differenzierte Antwort. Extremismus, sei es rechtsextremer oder islamistischer Natur, entsteht oft in einem Umfeld, das durch Ausgrenzung, Diskriminierung und fehlende gesellschaftliche Teilhabe geprägt ist. Das Konzept der Extremismus-Prävention, wie es in der wissenschaftlichen Literatur der politischen Soziologie formuliert wird, zielt darauf ab, genau diese Faktoren anzusprechen.
Herfried Münkler betonte mehrfach, dass die Bekämpfung von Extremismus nicht nur eine Reaktion auf Sicherheitsbedenken sein darf, sondern auch die tieferliegenden sozialen und politischen Ursachen angehen muss. Indem wir uns für die Rechte und Bedürfnisse marginalisierter Gruppen einsetzen, leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Radikalisierung. Diskriminierungserfahrungen, die unadressiert bleiben, führen oft dazu, dass Menschen sich aus der Gesellschaft zurückziehen – ein Nährboden für extremistisches Gedankengut. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit aktuellen Studien der Harvard University zur Prävention von Radikalisierung.
Prävention bedeutet, Diskriminierungsquellen versiegen zu lassen
Die Forschung zeigt, dass der Kampf gegen Diskriminierung ein essenzieller Bestandteil der Extremismus-Prävention ist. Dies ist auch im Rahmen der Extremismus-Präventionsprogramme an der Freien Universität Berlin ein Kernthema. Indem marginalisierte und vulnerable Gruppen gestärkt werden, wird der gesellschaftliche Zusammenhalt gefördert und Extremismus in jeglicher Form vorgebeugt. Die Diskriminierung von Muslimen in Deutschland betrifft nicht nur die betroffene Gruppe, sondern schwächt die gesamte Gesellschaft und fördert gesellschaftliche Spaltungen.
Unsere Arbeit richtet sich klar gegen jede Form von Extremismus, sei es Rechtsextremismus oder islamistischer Extremismus. Gleichzeitig sind wir der festen Überzeugung, dass die Stärkung marginalisierter Gruppen ein wesentlicher Bestandteil dieser Präventionsarbeit ist. Unser Referenzrahmen bleibt dabei stets das Grundgesetz und die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Diese Arbeit ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine effektive Maßnahme, um gesellschaftliche Resilienz gegenüber Radikalisierung zu fördern.
Fazit
Antimuslimischer Rassismus ist eine Wirklichkeit, die viele Menschen in Deutschland betrifft. Unsere Forschung zeigt, dass Betroffene oft erschöpft und belastet sind, was ihre Bereitschaft, sich Hilfe zu suchen, einschränkt. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass der Kampf gegen Diskriminierung und Extremismus-Prävention Hand in Hand gehen. Die Stärkung marginalisierter Gruppen ist ein wichtiger Baustein, um langfristig eine inklusive und widerstandsfähige Gesellschaft zu schaffen.
Wir bleiben weiterhin engagiert, sowohl für die Rechte von Muslimen als auch für die Prävention von Extremismus einzutreten – denn beides ist möglich und notwendig. Nur durch eine differenzierte und ganzheitliche Perspektive können wir als Gesellschaft den Herausforderungen von Rassismus und Extremismus begegnen und gerecht werden.
コメント