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Abwehrmechanismen im Umgang mit Diskriminierung und Privilegien – warum sie uns etwas über Macht und Veränderung verraten

  • Autorenbild: Ercan Carikci
    Ercan Carikci
  • 12. Mai
  • 2 Min. Lesezeit

Viele Menschen sehen sich als gerecht, reflektiert, offen. Sie setzen sich für Vielfalt ein, sind gegen Rassismus, gegen Diskriminierung. Und doch: Wenn es um die Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien geht – etwa darum, was es heißt, weiß zu sein, cis, männlich oder heterosexuell – entstehen oft Spannungen. Nicht selten löst genau das Abwehr aus: „So bin ich doch nicht“, „Ich meine es doch gut“, „Das ist nicht mein Thema“. Diese Reaktionen sind menschlich – und gesellschaftlich relevant. Denn sie zeigen, wie sehr die Strukturen, die wir kritisieren, auch in uns selbst weiterwirken.


Abwehrmechanismen im Umgang mit Diskriminierung und Privilegien

Die Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen ist kein neutraler Prozess. Sie fordert uns heraus – emotional, politisch, manchmal schmerzhaft. Besonders dann, wenn das eigene Selbstbild mit unbequemen Wahrheiten kollidiert. Viele, die sich als bewusst und solidarisch verstehen, geraten ins Straucheln, wenn sie erkennen: Auch ich profitiere von Strukturen, die andere benachteiligen. Auch ich bin Teil eines Systems, das nicht für alle gleich funktioniert.


Ein zentrales Beispiel dafür ist Weißsein – nicht als biologische Eigenschaft, sondern als gesellschaftlich konstruierte Position, die mit konkreten Vorteilen verbunden ist. Diese Privilegien sind für viele unsichtbar, weil sie als selbstverständlich gelten. Wer nie rassistisch diskriminiert wurde, erlebt „Normalität“. Wer es doch erlebt, spürt den Unterschied täglich. Privilegien zu erkennen heißt also nicht, Schuld zu übernehmen – sondern Verantwortung.


Im Umgang mit diesen Themen tauchen immer wieder ähnliche Abwehrmechanismen auf. Manche lenken die Aufmerksamkeit weg von der Kritik hin zur kritisierenden Person: „Du übertreibst“, „Du bist zu emotional“, „Du spaltest die Gesellschaft“. Andere bestreiten das Thema ganz: „Rassismus gibt es bei uns nicht“, „Ich sehe keine Hautfarben“, „Wir sind doch alle Menschen“. Oft wird auch auf praktische Hürden verwiesen: fehlende Zeit, fehlendes Wissen, Unsicherheit. All das sind verständliche Reaktionen – aber sie führen selten weiter.


Ein häufiges Muster ist die Skandalisierung: Diskriminierung wird als Ausnahme dargestellt, nicht als strukturelles Problem. Oder es wird behauptet, Rassismus existiere nur bei Extremisten – nicht in der Mitte der Gesellschaft. Solche Verschiebungen entlasten, aber sie verhindern ehrliche Auseinandersetzung. Auch das Schweigen – bewusst oder unbewusst – spielt dabei eine Rolle. Es schützt vor Konflikt, überlässt aber anderen die Verantwortung.


Manche Reaktionen wirken auf den ersten Blick wie Engagement, führen aber in eine Sackgasse. Zum Beispiel, wenn weiße Menschen miteinander in einen Wettbewerb treten, wer der „bessere Ally“ ist – und dabei vergessen, worum es eigentlich geht. Oder wenn Diskriminierung kulturell erklärt wird: nicht als Machtfrage, sondern als Folge von „Unterschieden“. Auch die Verlagerung in die Vergangenheit („So was gibt’s heute doch nicht mehr“) ist ein Weg, sich nicht mit dem Jetzt befassen zu müssen.


All diese Abwehrmechanismen haben eines gemeinsam: Sie vermeiden die direkte Konfrontation mit struktureller Ungleichheit – und mit der eigenen Rolle darin. Aber genau diese Konfrontation ist notwendig, wenn sich etwas verändern soll. Das heißt nicht, dass jede*r alles sofort perfekt machen muss. Es heißt, hinzuhören, Fragen zu stellen, Fehler auszuhalten – und bereit zu sein, dazuzulernen.


Denn letztlich geht es nicht darum, sich selbst zu verurteilen oder „moralisch richtig“ zu sein. Es geht darum, sich ehrlich mit Macht, Verantwortung und Ungleichheit auseinanderzusetzen. Wer seine eigenen Reaktionen versteht, kann beginnen, anders zu handeln – und Räume mitzugestalten, in denen Gerechtigkeit möglich wird.

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